Eine Zeitreise
Als ich am Bahnhof angekommen bin musste ich mich erst einmal orientieren. Immerhin war ich zum ersten Mal in dieser Stadt. Ich schritt also los und suchte nach einem Wegweiser. Schnell stieß ich auf ein Schild, welches allerdings lediglich Rundwege für Fahrräder aufzeigte, nicht ganz wonach ich suchte, also ging ich weiter. Nach einer Weile des orientierungslosen Herumirrens entschied ich mich noch einmal zurück an den Bahnhof zu gehen und von dort in einer anderen Richtung zu suchen, wodurch ich letztendlich auf einen Richtungsweiser stieß.
Dem Schild folgend lief ich gut eine viertel Stunde eine Straße herunter. Auf dem Weg waren verschiedene Ämter, Shops und Wohnhäuser, nichts das sonderlich heraus stechen würde. Desto weiter ich die Straße entlang ging, desto öfter sah man auch Menschen in den Geschäften oder auf den Gehwegen. Am Ende der Straße begrüßte mich eine große Kreuzung die eine deutliche Änderung der Atmosphäre mit sich zog. Um mich herum waren nun Bäcker, Restaurants und andere Laufgeschäfte. Auf der anderen Seite der Kreuzung war ein großes Kaufhaus, in dessen Richtung mich auch das Schild leitete.
Ich folgte dem kleinen Strom von Menschen durch eine kleine Gasse, bis mich ein fremdes und doch mir bekanntes Kribbeln im Nacken überkam. Es fühlte sich ähnlich an wie eine Gänsehaut, stärker und doch kaum spürbar. Als das Gefühl langsam versiegte waren alle Menschen um mich herum plötzlich verschwunden. Von dem großen Kaufhaus und der Modernen Straße keine Spur. An ihrer Statt waren nun Fachwerk und Kopfsteinpflaster.
Ich hielt nur einen Moment inne, um die neue Welt vor mir einzufangen, bevor ich meinen Weg fortsetzte.
Breite, gepflasterte Wege bahnten einen Weg durch den Fachwerkdschungel ins Herz der Stadt. Bereits nach kurzer Zeit stieß ich auf ein kleines Tor das meine Neugierde weckte. Es war ein unscheinbares Tor aus Sandstein das an seinem höchsten Punkt gerade größer war als ich selbst. Was wirklich interessant war, war ein Wappen das darüber zu sehen war. Es hatte drei übereinander liegende Bestandteile: Ein rotes Blashorn oben, darunter ein Ritterhelm mit einem roten Umhang und zuletzt drei aufeinander liegende, schwarze Geweihe auf einem gelben Schild. Das Letzte ohne Frage ein Erkennungsmerkmal des Hauses von Württemberg.
Ich entschied mich diesen Weg zu nehmen. Hinter dem Tor verlief ein engerer Weg als die weite Straße zuvor, auf dem immer noch mehr Platz war als auf einem modernen Gehweg. Es dauerte nicht lange bevor der Weg sich spaltete. Links war eine Art Kloster und rechts war ein noch engerer Gang mit einer schulterhohen Mauer auf beiden Seiten. Ich entschied mich für den rechten Gang, auf dem ich schnell eine Kuriosität entdeckte.
Um mich herum sprangen Figuren ins Leben die sich am besten als mittelalterliche Wachen beschreiben ließen. Sie patrouillierten um mich herum, schauten gelegentlich über die rechte Mauer, die auf der anderen Seite bedeutend tiefer war und unter der sich ein Fluss befand und schienen mich vollkommen zu ignorieren. Sie nahmen mich definitiv wahr, zum Beispiel wichen sie mir aus wenn unsere Wege sich kreuzten, aber sie sprachen mich nicht an und schienen kein Problem damit zu haben dass ich auf ihrer Mauer war.
Da es wohl okay für mich war, hier zu sein, setzte ich meinen Weg wieder fort und folgte dem Weg, der sich als ein überdachter Wehrgang herausstellte. Der Wehrgang war nicht besonders gleichmäßig oder präzise gebaut. Mal war er sehr eng, mal weiter, mal höher und mal musste man den Kopf einziehen. Einmal öffnete sich die linke Wand und man konnte wieder einen Blick auf das Fachwerk werfen.
Am Ende des Wehrganges waren ein beeindruckend hoher Torturm und eine hübsche Brücke über dem Fluss. Als ich auf das Tor zu lief erschienen wieder neue Figuren. Diesmal ein paar einfach gekleidete Leute mit einem kleinen, hölzernen Wagen die sich gerade ihren Weg über die Brücke bahnten.
Ich entschied mich ihnen zu folgen bis wir in der Mitte der Stadt ankamen. Auf dem Weg waren ein paar weitere Figuren die ihren täglichen Aufgaben nachgingen. Umso weiter wir in die Stadt eindrangen desto mehr Figuren erschienen, bis wir am Marktplatz ankamen. Hier waren es genug Erscheinungen um den ganzen Platz zu beleben. Verschiedene Stände an denen Gemüse, Brot, Käse und Wein verkauft wurden. Überall Leute mit einer Reihe verschiedener Gewänder. Am Ende des Platzes erhob sich ein interessantes Gebäude. Ein großes Haus das mit schönen Verzierungen überzogen war. Oben am Gebäude war eine Uhr mit einem Pendel zu sehen. Die unterste Ebene des Gebäudes war entgegen der Erwartung kein Fachwerk, sondern hohe Bögen aus Stein die das Gebäude stützten. Darin waren Stände mit Stoffen und Papier, an denen gut gekleidete Leute standen.
Als ich versuchte einen der Standbesitzer anzusprechen verschwanden alle Figuren und Stände plötzlich wieder und ich hatte keine Wahl als weiter zu gehen. Ich ging durch die Bögen des großen Gebäudes, vermutlich das Rathaus, und spürte wieder das bekannte, fremde Kribbeln im Nacken bevor ich mich auf dem Platz wiederfand. Das Pflaster war etwas glatter und präziser, die Häuser sauberer und der Platz war nicht mehr leer.
Ein gemütliches Café füllte den Marktplatz wieder mit Leben, wenn auch wesentlich ruhiger als zuvor die Stände es taten.
Nachdem ich mich mit einem Eiskaffee für eine Weile gesetzt hatte nahm ich einen Bus zurück zum Bahnhof, zufrieden mit der Ausbeute des Tages.